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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 23.05.2002
Aktenzeichen: 2Z BR 19/02
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 47
Die in einer Teilungserklärung enthaltene Kostentragungspflicht der einzelnen Wohnungseigentümer für die Instandsetzung von Fenstern umfaßt nicht einen wintergartenähnlichen Glasvorbau.
Gründe:

I.

Der Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohn- und Teileigentumsanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird.

§ 4 Nr. 3 der Gemeinschaftsordnung (GO) lautet wie folgt:

Die im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Teile, Anlagen und Einrichtungen der Wohnanlage sind auf gemeinsame Kosten dauernd in gutem Zustand zu erhalten. Schäden an den nach außen weisenden Türen und Fenstern der Wohnung sind jedoch von dem betreffenden Wohnungseigentümer auf ihre Kosten zu beseitigen.

In § 4 Nr. 8 der GO heißt es:

Der Wohnungseigentümer hat die die Sondereigentumseinheiten abschließenden Türen und Fenster sowie Rolläden, Terrassen und Balkone auf seine Kosten instand zu halten und instand zu setzen.

Die ursprüngliche Teilungserklärung wurde mehrfach geändert, unter anderem am 11.3.1988. In diesem Nachtrag zur Teilungserklärung wurde dem jeweiligen Eigentümer der Teileigentumseinheit Nr. 22 auf einer Innenhoffläche ein Sondernutzungsrecht eingeräumt. Weiter wurde geregelt, dass die Pflege und Instandhaltung der Sondernutzungsfläche dem jeweiligen Nutzungsberechtigten auf eigene Kosten obliegt. Die Änderung der Teilungserklärung wurde in das Grundbuch eingetragen.

Die Teileigentumseinheit Nr. 22 grenzt an einen Innenhof. An das massive Mauerwerk angebaut ist eine einem Wintergarten ähnliche Konstruktion vorwiegend aus Glas (im folgenden als Vorbau bezeichnet), die den Gebäudeabschluss zum Innenhof hin bildet. Über diesem Vorbau befindet sich ein aus einem Metallgitter bestehender Laufsteg, der als Fluchtweg für die darüber liegenden Wohnungen dient.

Am 13.11.2000 fand eine Eigentümerversammlung statt, in der unter anderem die Sanierung des Vorbaus behandelt wurde. Im Protokoll ist vermerkt "Besprechung und Beschluss über die Erneuerung des Glasdaches der Einheit Nr. 2211. Weiter ist im Protokoll festgehalten, dass die Scheiben des Glasdaches fast durchgängig gesprungen seien und dass auch die Situation des Laufstegs auf diesem Glasdach neu geplant werden müsse, da die bisherige Ausführungsart brandschutzrechtlich nicht mehr zulässig sei. Die Wohnungseigentümer fassten sodann mehrheitlich folgenden Beschluss:

Die Gemeinschaft beschließt, die Glasüberdachung des Wintergartens im zweiten Innenhof der Einheit von Frau Ursula H. nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik erneuern zu lassen. Die Kosten der Maßnahme einschließlich aller Nebenkosten für Spengler, Schlosser, Maurer und Bauleitung werden per Sonderumlage finanziert. Die Sonderumlage ist mit heutiger Beschlussfassung fällig und bei Abruf durch den Verwalter zu bezahlen.

Der Antragsteller hat beantragt, diesen Beschluss für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 21.5.2001 zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 14.1.2002 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers.

II.

Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Beschluss der Wohnungseigentümer sei nicht wegen Unbestimmtheit nichtig, da es eine Frage der Auslegung sei, ob unter den Begriff Glasüberdachung auch Wand- und Fassadenelemente aus Glas fallen würden. Bei dem streitgegenständlichen Wintergarten handele es sich um Gemeinschaftseigentum, für dessen Instandhaltung nach § 4 Nr. 3 GO die Kosten der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Last fielen. Der Wintergarten sei weder ein Fenster noch eine Türe im Sinne des § 4 Nr. 3 GO noch einer der in § 4 Nr. 8 GO genannten Gegenstände. Die Änderung der Teilungserklärung vom 11.3.1988 lege dem Sondernutzungsberechtigten nur die Pflege und Instandhaltung der Flächen auf, die Instandhaltungspflicht des Wintergartens sei dort gerade nicht geregelt.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Das Landgericht nimmt richtig an, dass es sich bei dem Vorbau um gemeinschaftliches Eigentum handelt.

b) Das Landgericht geht auch im Ansatz zutreffend davon aus, dass der Beschluss nicht wegen Unbestimmtheit nichtig ist. Es erkennt auch zutreffend, dass der Beschluss der Auslegung bedarf. Es nimmt jedoch eine solche Auslegung nicht vor, sondern führt lediglich aus, dass der Wintergarten auch Wand- und Fensterelemente enthalte und dass diese nur Teil des Wintergartens insgesamt seien. Hierin liegt keine hinreichende Auslegung des Beschlusses. Insbesondere kommt es für die Auslegung des Beschlusses nicht darauf an, ob die Wand- und Fassadenelemente tatsächlich Bestandteil des Wintergartens sind, sondern darauf, welche Maßnahmen die Wohnungseigentümergemeinschaft beschlossen hat und wie die Kosten hierfür zu verteilen sind.

Der Senat kann die Auslegung des Eigentümerbeschlusses selbst vornehmen (vgl. BGH NJW 1998, 1713/1714). Dabei ist vom Wortlaut des Beschlusses auszugehen. Dieser nennt als Gegenstand der Erneuerung nur die Glasüberdachung. Im Hinblick auf die im Protokoll festgehaltene Notwendigkeit einer Neuplanung des Laufstegs über dem Glasdach und der Erwähnung von Spenglerarbeiten im Wortlaut des Beschlusses ergibt die Auslegung ferner, dass sich der Beschluss auch auf diesen Laufsteg erstreckt. Dagegen kann dem Beschluss nicht entnommen werden, dass unabhängig von der Erneuerung des Daches die senkrecht stehenden Teile des Vorbaus, insbesondere darin befindliche Türen oder Fenster, erneuert werden.

Sollte es zur Erneuerung des Glasdaches technisch notwendig sein, wovon anscheinend das Landgericht ausgeht, ohne hierzu nähere Feststellungen getroffen zu haben, auch die senkrecht stehenden Teile des Anbaus zu erneuern, so liegt darin ebenfalls kein Widerspruch zur Kostenregelung der GO. Die Erneuerung der senkrecht stehenden Teile des Vorbaus entspricht dann nämlich den allgemein anerkannten Regeln der Technik im Sinne des angefochtenen Beschlusses. Es handelt sich dann nicht um eine selbständige Instandsetzung von im Vorbau möglicherweise vorhandenen Türen und Fenstern, sondern um eine Maßnahme der Instandsetzung des sonstigen gemeinschaftlichen Eigentums, die der Eigentümer der Einheit Nr. 22 zwar dulden, aber nicht alleine bezahlen muss. Ursache der Maßnahme ist nämlich in diesem Falle nicht eine Schadhaftigkeit der Türen oder Fenster, sondern ein Instandsetzungsbedarf am Glasdach.

Der Beschluss widerspricht somit nicht deshalb der GO, weil möglicherweise in dem Anbau in den senkrechten Wänden auch Türen und Fenster vorhanden sind.

c) Eine Kostentragungspflicht allein für den Eigentümer der Einheit Nr. 22 ergibt sich nicht aus der GO und den Nachträgen zur Teilungserklärung. Die im Grundbuch eingetragene GO (Anlage 2 zur Teilungserklärung) und die Änderungen der Teilungserklärung sind, da sie im Grundbuch eingetragen sind, nach ihrem Wortlaut und Sinn auszulegen, wie sie sich für einen unbefangenen Beobachter als nächstliegende Bedeutung ergeben (BGH NJW 1998, 3713/3714).

(1) Der Vorbau und der darüber liegende Laufsteg unterfallen nicht den Sonderregelungen des § 4 Nr. 3 und 8 GO. Dass es sich dabei nicht um Rolläden, Terrassen oder Balkone handelt, bedarf keiner weiteren Erörterung.

Es handelt sich aber auch nicht um Türen oder Fenster im Sinne der genannten Regelungen der GO. Für den über dem Glasdach befindlichen Laufsteg ist dies offensichtlich. Auch der Vorbau als solcher kann nicht als Fenster oder Türe bezeichnet werden. Die von der Rechtsbeschwerde zusammengetragenen Fundstellen zum Begriff "Fenster" helfen nicht weiter. Bei Trübners Deutschem Wörterbuch und im Großen Brockhaus wird zur Umschreibung des Begriffs Fenster auf eine Öffnung in der Außenwand Bezug genommen. Der Vorbau insgesamt und insbesondere dessen Dach sind aber keine Öffnung der Außenwand, sondern ein dieser vorgelagerter Baukörper. Das Große Wörterbuch der Deutschen Sprache spricht ebenfalls von einer Öffnung. Auch eine Öffnung ist jedoch etwas anderes als ein Vorbau, da über die bloße Öffnung einer Wand hinaus zusätzlicher Raum geschaffen wird.

Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch wird ein an die Außenwand angebauter Baukörper, gleichgültig, aus welchem Material er besteht, nicht als Fenster des übrigen Hauses betrachtet, sondern als zusätzlicher Baukörper. ob dabei im vorliegenden Fall die vom Landgericht gewählte Bezeichnung "Wintergarten", zutreffend ist, mag dahinstehen, da es sich jedenfalls nicht um ein Fenster oder eine Türe handelt.

Soweit die Rechtsbeschwerde weiter darauf hinweist, dass sich im Vorbau auch Fenster, Fenstertüren und Glaswände befinden, ist dies nach dem Vorstehenden ohne Bedeutung.

(2) Eine alleinige Kostentragungspflicht des Eigentümers der Einheit Nr. 22 ist auch nicht aus dem Nachtrag der Teilungserklärung vom 11.3.1988 abzuleiten. Dabei kann es dahinstehen, ob sich der Vorbau tatsächlich, wie vom Antragsteller vorgetragen, teilweise auf der Sondernutzungsfläche befindet. Selbst wenn dies der Fall ist, handelt es sich bei dem Vorbau und dem Steg um gemeinschaftliches Eigentum. Aus Nr. II der Änderung der Teilungserklärung vom 11.3.1988 kann eine Kostentragungspflicht nicht abgeleitet werden. Es handelt sich nämlich bei der geplanten Maßnahme nicht um die Pflege und Instandhaltung einer Fläche, sondern um die Sanierung eines Baukörpers.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Es entspricht der Billigkeit, den in allen Instanzen unterlegenen Antragsteller mit den gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten der übrigen Beteiligten zu belasten.

Der Geschäftswert entspricht den Festsetzungen durch die Vorinstanzen. Auch der Senat ist der Auffassung, dass im Hinblick auf das geringere Eigeninteresse des Antragstellers eine Herabsetzung des Geschäftswerts gemäß § 48 Abs. 3 Satz 2 WEG zu erfolgen hat.



Ende der Entscheidung

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